Alte Erfolgsmodelle im Konsumgütersektor funktionieren nicht mehr. Selbst da, wo sich höhere Preise am Markt durchsetzen lassen, stagniert der Umsatz, weil Menschen mehrheitlich ihren Konsum einschränken. Was im Gastgewerbe das eingesparte Dessert ist, ist im Handel die Bluse oder das Herrenhemd weniger, das sich gegönnt wird. Entsprechend sanken die Volumina 2023 nach einer aktuellen McKinsey-Analyse um 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – obwohl die Preise zur selben Zeit infolge der Inflation um 7 Prozent stiegen.
Trotz leicht besserer Erwartungen bleiben der ifo Geschäftsklimaindex und die Konjunkturindikatoren des Statistischen Bundesamts weiterhin eher negativ. Der Handelsverband Deutschland prognostiziert sogar für rund 9.000 Geschäfte den finalen Ladenschluss noch in diesem Jahr. Das ist bitter für Konsumgüterunternehmen – erst recht, weil dringend notwendige Investitionen in künftige Wachstumsmotoren anstehen, z.B. in die weitere Digitalisierung, die Ablösung von ERP-Systemen oder auch in neue Fähigkeiten wie Analytics und künstliche Intelligenz.
37%
des möglichen EBITDA gehen aktuell in der Umsetzungsphase einer Transformation verloren.
Nachhaltige Kostentransformation, die auf langfristige Einspareffekte und ein strukturell niedriges Komplexitätsniveau abzielt, ist daher ein Gebot der Stunde. Trotzdem schöpfen längst nicht alle Führungskräfte die Möglichkeiten dazu aus. Es gilt, die Umsetzung erprobter Ansätze zu verfeinern und neue Hebel zu nutzen.
Verschenktes Potenzial trotz guter Ansätze
Bewährte Ansätze zur Kostentransformation gibt es bereits. Sie verfügen in den meisten Fällen über einen strukturierten, dreistufigen Prozess, der im Wesentlichen drei einfachen Fragen folgt: Wie gut könnten wir sein? Wie kommen wir dorthin? Wie setzen wir es um?
Phase 1 – Potenzialanalyse und Zielfestlegung. Die Praxis zeigt: Unternehmen mit sehr ambitionierte Einsparzielen sind zumeist erfolgreicher als Unternehmen mit kleinen, inkrementellen Zielen. Denn mit einem „Weiter so“ werden die gewünschten Ergebnisse nicht erreicht. Zudem gilt es, das Potenzial für jede einzelne Funktion zu ermitteln. Interne und externe Benchmarks helfen hier weiter. Erfolgreiche Programme definieren ihre Einsparungsziele in einer Größenordnung von 75 Prozent des Betriebsergebnisses. In anderen Worten: Sie rechnen fast mit einer Verdopplung ihrer Ergebnisse in zwei bis drei Jahren.
Phase 2 – Planung der Transformation. Sind die Ziele definiert und in der Organisation verankert, werden konkrete Initiativen erarbeitet. Sie sollten möglichst granular definiert sein, inklusive Business Cases, erwarteten Ergebnisbeiträgen pro Monat, Umsetzungsplänen und KPIs. McKinsey-Studien zeigen: Initiativen, die nur grob detailliert werden, z.B. mit nur wenigen Umsetzungsmeilensteinen, haben einen 8 bis 16 Prozent höheren Wertverlust als die granularen Varianten.
Phase 3 – Implementierung. Die Umsetzung der Transformation erfordert eine genaue Vorbereitung, die zügig und konsequent ausgeführt wird. Teilprogramme, die nicht den erhofften Erfolg liefern, werden durch neue Initiativen ersetzt. Auch hier überzeugen die Zahlen, die McKinsey in Studien ermittelt hat: Erfolgreiche Transformationen setzen bis zu 75 Prozent ihrer wertschaffendsten Initiativen bereits in den ersten 12 Monaten um. Die Unternehmen mit der besten Performance stockten zudem die Zahl ihrer Initiativen nach dem ersten Jahr um 70 Prozent auf. Einige von ihnen verankerten das Vorgehen zusätzlich in ihren jährlichen Planungsprozessen. So beauftragte ein Chemieunternehmen Führungskräfte aus Finance und Operations mit der Durchführung einer jährlichen internen Due Diligence – aber aus der Perspektive eines externen Käufers.

Unterstützt wird der Transformationsprozess oft durch drei weitere Erfolgsfaktoren: Erstens durch ein dediziertes Programmmanagement-Team, angeführt von einem Chief Transformation oder Chief Cost Officer. Zweitens durch wöchentliche Performance-Meetings, um den Fortschritt nachzuverfolgen und Umsetzungsbarrieren abzubauen. Und drittens durch ein rigoroses Monitoring der Ergebnisse inklusive Messung der finanziellen Effekte.
Und dennoch: Auch wenn alle Schritte und Maßnahmen der bewährten Ansätze eingehalten werden, verlieren viele Initiativen mit der Zeit ihren Schwung. In einer globalen McKinsey-Umfrage berichteten Führungskräfte über ihre praktischen Erfahrungen mit Transformationsprozessen: Rund 20 Prozent des möglichen EBITDA-Anstiegs gehen bereits beim Setzen der Ziele verloren, weitere 25 Prozent in der Planungsphase.
Ganze 37 Prozent bleiben bei der Umsetzung auf der Strecke, und selbst nach der Implementierung wird noch immer ein Sechstel des ursprünglich ermittelten Einsparungspotenzials verschenkt. Wie lassen sich diese Verluste vermeiden? Jüngste McKinsey-Analysen zeigen: Drei häufig unterschätzte Hebel können den feinen, aber entscheidenden Unterschied machen: überzeugende Kommunikation, der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) und funktionenübergreifende Ansätze.
Hebel 1: Überzeugende Kommunikation
Eine überzeugende Kommunikation des Transformationsvorhabens in der Organisation beginnt mit einem klaren Statement des CEO, der sowohl die Zielsetzungen als auch die Gründe für nötige Veränderungen klar benennt. Dazu gehören vor allem Marktentwicklungen wie neue Kundentrends und die Beziehungen zum Handel sowie Wettbewerbssituationen, auf die es zu reagieren gilt. Dann folgt die Kaskadierung, also das Aufschlüsseln der Botschaften auf die einzelnen Team- und Mitarbeiterebenen. Dabei bleibt die Kernbotschaft stets gleich, aber sie wird immer weiter spezifiziert und an die individuellen Rollenprofile und Tätigkeiten angepasst.
3x
erfolgreicher laufen Transformationen, deren Notwendigkeit überzeugend kommuniziert wird.
Die Effekte einer überzeugenden Kommunikation lassen sich konkret beziffern. Eine McKinsey-Umfrage von 2023 unter mehr als 470 Führungskräften, die in den vergangenen fünf Jahren eine Kostentransformation durchlaufen haben, zeigt: Unternehmen, deren Führungskräfte die Mitarbeitenden von der dringenden Notwendigkeit der Transformation überzeugen konnten, waren rund drei Mal erfolgreicher als ihre Peergroup. 42 Prozent von ihnen wurden zu Outperformern, aber nur 14 Prozent der Unternehmen, die darauf verzichteten. Auch Organisationen, die ihrer Belegschaft den langfristigen Nutzen der Programme vermittelten (41 Prozent), waren gut doppelt so erfolgreich wie Wettbewerber, die dies versäumten (20 Prozent).
Die formale Verankerung der Transformation in der Organisation erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit ebenfalls signifikant um das Eineinhalb- bis Zweieinhalbfache. Die wirksamsten Hebel sind mit den Zielen verknüpfte Anreize für die Mitarbeitenden, die Übertragung von Verantwortlichkeiten für den Transformationserfolg an alle Beschäftigten sowie die Integration der Zielerwartungen in die jährlichen Leistungsbeurteilungen.
Hebel 2: GenAI für alle
Ein neues Transformationsprogramm aufzusetzen, ist das eine. Darüber hinaus überlegen viele Unternehmen, die sich bereits mitten in diesem Prozess befinden, wie sie neuen Schwung in bestehende Kostenprogramme bringen können. Ein neuer Hebel ist der Einsatz von generativer KI, kurz GenAI. Die Erwartungen an die neue Technologie in Bezug auf die Beschleunigung und Automatisierung von Prozessen sind riesig. Unternehmen, die entsprechende Tools schon nutzen, berichten von teils signifikanten Einsparungs- und Umsatzsteigerungseffekten entlang der Wertschöpfungskette. Wo und wie genau GenAI im Rahmen eines Kostenprogramms zum Einsatz kommen kann und welche Effekte sie hat, zeigen die folgenden Unternehmensbeispiele:
Generieren von Ideen. Die Ideenfindung zur Entwicklung oder Optimierung von Produkten und Services ist ohne technische Hilfe ein zeitraubender Prozess. GenAI-Tools wirken hier wie ein Katalysator der Kreativität: Ein verarbeitendes Unternehmen „fütterte“ z.B. die KI mit historischen Daten zu Verbesserungsmaßnahmen, technischen Spezifikationen und anstehenden Patenten. Binnen Sekunden lieferte die KI eine Vielzahl neuer Vorschläge zur Produktverbesserung.
Content Creation. Auch im Marketing, insbesondere bei der Produktion von visuellen Inhalten und dem Entwerfen von Kampagnen, sind signifikante Effizienzsteigerungen durch GenAI bereits nachweisbar. Dank künstlicher Intelligenz steigerte ein D2C-Schuh-Unternehmen seine Werberendite (Return on Advertising Spend, ROAS) um 43 Prozent und die Konversionsrate um 33 Prozent. Automatisierte und optimierte Prozesse bei der Kampagnenerstellung machten es möglich.
Kundenservice. Die Einführung eines KI-Assistenten bei einem Fintech-Unicorn im März 2024 führte zur Bearbeitung von über 2,3 Millionen Kundengesprächen pro Monat. Das entspricht der Leistung von etwa 700 Vollzeitkräften. Zugleich reduzierte sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Kundenanfragen von 11 Minuten auf unter 2 Minuten. Das ging aber nicht zulasten der Qualität, im Gegenteil: Die Zahl der Doppelanfragen sank um 25 Prozent. Das Unternehmen erwartet, dass allein dieser technologische Fortschritt seine Profite um 40 Millionen US-Dollar erhöhen wird.

IT-Prozesse. Eine aktuelle Studie belegt weiteres Einsparpotenzial durch GenAI in den IT-Abteilungen. So ließen sich die benötigte Zeit zur Aktualisierung bestehender Software-Codes um 70 Prozent und die Umsetzungsdauer komplexerer Aufgaben um 10 Prozent verkürzen. Die Produktivität der IT-Führungskräfte stieg dadurch um 48 Prozent – die so gewonnene Zeit konnten sie für die Arbeit an strategischen Themen nutzen. Geschwindigkeit spielt eine Schlüsselrolle bei GenAI – auch wenn es darum geht, die Tools in der Organisation zu implementieren. Erfolgreiche Unternehmen verschaffen sich einen kurzen, konzeptionellen Überblick über mögliche Einsatzgebiete entlang der Wertschöpfungskette, um dann zügig zwei bis drei „Speedboats“, also Anwendungsfälle mit hohem Potenzial, zu Wasser zu lassen. Nur so sind schnelle finanzielle Effekte zu erzielen.
Hebel 3: Crossfunktional denken und handeln
Der ganzheitliche Blick auf die Organisation wird zwar viel gerühmt, aber doch nicht überall vollzogen. Maßnahmen zur Kostensenkung werden weiterhin einzeln in Funktionen wie Einkauf oder Produktion erarbeitet und umgesetzt. So wird großes Potenzial verschenkt. Moderne Kostentransformationen setzen ihren Fokus deshalb verstärkt auf bereichsübergreifende Arbeitspakete. Sie denken beispielsweise Produktentwicklungen und Portfoliooptimierungen „end to end“, vom Design to Value bis zum Kundensupport.
Ein Lebensmittelhersteller beispielsweise baute einen digitalen Zwilling (Digital Twin) seiner Lieferkette und setzte zusätzlich Advanced Analytics ein. Das sorgte für eine bessere Verzahnung von Lagerhaltung, Logistik und Produktion und ermöglichte eine präzisere Zuordnung von Rohstoffen zu den Endkundenprodukten. Zugleich reduzierte sich die Menge der benötigten Agrarrohstoffe. Mit dem crossfunktionalen Ansatz generierte das Unternehmen Einsparpotenziale in Höhe von rund 20 Prozent des Gesamtziels.
15%
Einsparung erzielte ein Unternehmen durch die Nutzung crossfunktionaler Kostenhebel.
Ein Hersteller langlebiger Konsumgüter wiederum reduzierte drastisch die Anzahl seiner Artikel (SKU), senkte dadurch die Komplexitätskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und steigerte seine Ergebnismarge um 2 Prozentpunkte. Wie sich in der Praxis mehrere Hebel zeitgleich nutzen lassen, zeigt das Beispiel dieses multinationalen Konsumgüterherstellers: Binnen zwei Jahren optimierte der Konzern Design, Produktion, Beschaffung, Lieferkette, Marketing und Vertrieb sowie seine organisatorischen Strukturen. Über 1.000 Mitarbeitende aus rund 40 Ländern beteiligten beteiligten sich an mehr als 300 Projekten und 2.000 Initiativen. Im Ergebnis erzielte das Unternehmen Einsparungen von über 15 Prozent.
Die Erfolgsgeschichten zeigen: Kostentransformation ist ein Wegbereiter für langfristigen Unternehmenserfolg und ein strategischer Wettbewerbsvorteil.
Durch den Fokus auf die beschriebenen Hebel Kommunikation, GenAI-Einsatz und Crossfunktionalität wird sie auch bei den Mitarbeitenden als echte Verbesserung verstanden und verinnerlicht. Diese Art der Transformation entwickelt nicht nur die Fähigkeiten der Beschäftigten weiter, indem sie innovative Methoden einführt. Sie hilft auch, bestehende Denk- und Arbeitsweisen zu hinterfragen und durch neue zu ersetzen. Davon profitieren am Ende alle.