Bits, Bytes und Butter

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Kostendruck, Kundenwünsche und KI-Revolution: Der Konsumgüter- und Handelssektor steht derzeit vor einem ganzen Bündel an Herausforderungen. Der Druck auf Kosten und Margen wächst stetig – sei es durch die immer noch spürbaren Folgen der Inflation, sei es durch immer neue, immer innovativere Wettbewerber. Konsumentinnen und Konsumenten messen ihre digitalen Einkaufserlebnisse an den hohen Standards, die von Technologiegiganten wie Apple, Google oder Amazon gesetzt werden, und erwarten ein nahtlos integriertes Omnichannel-Angebot. Gleichzeitig wollen sie, ebenso wie Investoren und Mitarbeitende, von den vielfältigen Vorteilen smarter KI-Anwendungen profitieren – vorausgesetzt, sie sind gewinnbringend, effizient und sicher.

Die Notwendigkeit zum Technologiewandel, aber auch der Wunsch danach sind deutlich spürbar. Vorstände und Führungskräfte sind genauso begeistert von KI, wie sie es einst für den aufkommenden E-Commerce waren. Viele von ihnen drängen auf rasche Fortschritte im operativen Geschäft und sind sich zugleich ihres erheblichen Transformationsrückstands bewusst. Mehr denn je sind sie bereit, sich und ihre Ideen unmittelbar einzubringen, um den Wandel aktiv voranzutreiben. Und viele handeln bereits. Vor allem im deutschsprachigen Raum zeigt sich eine überraschend schnelle Adaption von generativer KI in diversen Geschäftsfunktionen, um die Effizienz zu steigern, produktiver zu werden und das Umsatzwachstum zu fördern. So setzt fast jedes zweite von McKinsey befragte Unternehmen intelligente Tools wie ChatGPT in Marketing und Vertrieb ein, 42 Prozent nutzen sie zur Entwicklung von Produkten oder Services und 33 Prozent in anderen Funktionen, z.B. im Wissensmanagement.

Robuste IT-Infrastruktur – Basis der Skalierung

Nicht nur die zunehmenden KI-Einsätze im „echten“ Geschäft zeigen: Die Zeit der unverbindlichen Pilotprojekte ohne klares Skalierungsziel neigt sich dem Ende zu. Denn zeitgleich steigen auch die technischen Schulden, d.h. die Kosten für die Pflege technischer Altlasten und ineffizienter ITArchitekturen. Zudem wird es immer aufwendiger, sicherzustellen, dass die Daten den hohen Anforderungen des FAIR-Datenmodells (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) gerecht werden, also auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar zu sein. Zu diesen Herausforderungen treten nicht zuletzt die allgegenwärtigen Cyberbedrohungen, die es kontinuierlich abzuwehren gilt.

Viele digitale Transformationen scheitern daran, dass über allem Testen von isolierten Use Cases versäumt wird, die eigentliche Basis für neue Tech-Anwendungen zu schaffen. Ohne dieses Fundament, angefangen bei qualifizierten Fachkräften bis zur tragfähigen IT- und Dateninfrastruktur, bleiben alle Versuche, moderne Technologien in die gesamte Organisation einzubetten, auf der Strecke. Besonders im Konsumgütersektor zeigt sich dieses Muster häufig, da einzelne Anwendungsfälle wie E-Commerce, Personalisierung oder Revenue Growth Management oft kurzfristige Erfolge versprechen. Doch für eine nachhaltige digitale Transformation bedarf es einer robusten, skalierbaren und KI-gestützten „Delivery Engine“, die als zentrale Bereitstellungsmaschine den Einsatz moderner Tools und Technologien erst ermöglicht.

Um bis zu

30%

sinken die IT-Kosten nach einer erfolgreichen ERP-Transformation.

Schlüsselfaktor Umsetzung – das „Wie“ entscheidet

Wie also können Organisationen schnell und in großem Umfang Fortschritte erzielen? Tatsächlich spricht zu Beginn der Transformationsreise viel für einen Perspektivwechsel: Es lohnt sich, mit dem „Wie“ zu starten und nicht mit dem „Was“. Denn während das „Was“ in der Regel bereits bekannt ist (z.B. welche Veränderungen nötig sind und wo), besteht die eigentliche Herausforderung im „Wie“ – in der Umsetzung. Doch gerade mit der Implementierung tun sich die meisten Organisationen schwer. Umsetzungsschwächen sind der Hauptgrund, warum digitale Transformationen häufig hinter den Erwartungen zurückbleiben. McKinsey-Analysen belegen, dass fast neun von zehn Unternehmen bereits digitale Change-Programme durchlaufen. Doch sie realisieren damit lediglich 30 Prozent des angestrebten Umsatzwachstums und 25 Prozent der angestrebten Kosteneinsparungen.

Worin liegt das Geheimnis einer erfolgreichen Umsetzung? In seinem Framework „Rewired“, das auch als Buch erschienen ist, hat McKinsey die wichtigsten Erfolgselemente zusammengefasst. Zu den zentralen Bausteinen im Umsetzungsprozess zählen ausreichend qualifizierte Talente, ein zukunftsfähiges Operating Model, der Aufbau einer modernen Technologieinfrastruktur und die strategische Nutzung von Daten.

Talentförderung. Digitale Exzellenz lässt sich nicht outsourcen. Unternehmen müssen in der Lage sein, eigene digitale Lösungen zu erarbeiten und laufend weiterzuentwickeln – hierfür sind hochqualifizierte Fachkräfte im Bereich Digitaltechnologie und künstliche Intelligenz unverzichtbar. Erfolgreiche Organisationen setzen auf eine strategische Talent-Roadmap, um Spitzenkräfte zu gewinnen und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das deren Potenzial optimal entfaltet. Das erfordert fundiertes Wissen über die Motivationen von Toptalenten und eine gezielte Anpassung der Unternehmenskultur und -strategien, um diese zu begeistern und dauerhaft zu binden.

Bis zu

40

Domains lassen sich durch Tech und KI-Lösungen optimieren.

Zukunftsfähiges Operating Model. Die Skalierung digitaler und KI-basierter Lösungen über die gesamte Organisation hinweg verlangt von Unternehmen, die Prozesse zur Entwicklung von Technologien deutlich schneller und flexibler zu gestalten. Ein agiles Operating Model wird dabei zum Schlüssel für nachhaltigen Erfolg. Die Entwicklung eines solchen Modells gehört allerdings zu den anspruchsvollsten Aufgaben einer Transformation, da es tief in die Organisationsstruktur eingreift und die Zusammenarbeit zwischen den Funktionen grundlegend beeinflusst. Datengestützte Entscheidungsfindung, die Bildung cross-funktionaler Teams und die Einführung agiler Arbeitsweisen und Prozesse sind hier die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Einheitliche KPIs zur Fortschrittsmessung und eine an den gleichen Zielen ausgerichtete Incentivierung über alle Funktionen hinweg sorgen dafür, dass sich das neue Operating Model dauerhaft in der Organisation etabliert.

Moderne Technologieinfrastruktur. Die IT-Systeme im Unternehmen sollten so beschaffen sein, dass sie Teams ermöglichen, kontinuierlich digitale und KI-gestützte Innovationen für Nutzende zu entwickeln und bereitzustellen. Dies erfordert den Aufbau einer dezentralen Technologieinfrastruktur, die einen nahtlosen Zugriff auf relevante Daten, Anwendungen und Softwareentwicklungstools erlaubt. Eine solche Umgebung fördert nicht nur die schnelle Umsetzung von Innovationen, sondern gewährleistet zugleich die Bereitstellung sicherer und qualitativ hochwertiger Lösungen.

Strategische Nutzung von Daten. Der Mehrwert technologischer Anwendungen hängt unmittelbar von der Qualität, Relevanz und Verfügbarkeit der zugrunde liegenden Daten ab. Daher gilt es, eine Datenarchitektur zu entwickeln, die leichte Zugänglichkeit, Wiederverwendbarkeit und Skalierbarkeit von Daten gewährleistet. Ziel ist es, Teams mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten, damit sie fundierte Entscheidungen treffen und leistungsstarke, datengetriebene Lösungen entwickeln können. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer flexiblen und nutzerfreundlichen Sammlung von Datenprodukten, die von allen Teams und Anwendungen innerhalb der Organisation effizient genutzt werden können.

Die richtige Strategie

Jede gut umgesetzte Transformation folgt einer durchdachten Strategie, die hilft, Komplexitäten zu reduzieren, Prozesse zu beschleunigen, den Wert zu steigern und Risiken bewusst zu managen. Das Spektrum sinnvoller strategischer Maßnahmen reicht dabei von ganzheitlichen Domain-Ansätzen bis zu souveränen Cloud-Lösungen.

Domains statt Use Cases. Um sich nicht im Klein-Klein einzelner Anwendungsfälle zu verlieren, empfiehlt es sich, Geschäftsbereiche (Domains) und die damit verbundenen Use Cases ganzheitlich anzugehen. So mag bei einem Lebensmittelhändler mit 99% Umsatzanteil im Offlinehandel ein virtueller Chatbot zwar technisch innovativ sein – doch nur in Verbindung mit weiteren digitalen Neuerungen (z.B. einer Shop-and-Go-App). Wenn strategisch sinnvoll, bieten sich in Unternehmen 35 bis 40 Domains für den Einsatz hochwirksamer Tech- und KI-Anwendungen an, vom kundengesteuerten Produktdesign bis zur Filialoptimierung.

Mut zur Priorisierung. Um die besten Ergebnisse zu erzielen, müssen im Verlauf der Transformation möglicherweise einige unpopuläre Entscheidungen getroffen werden. Dazu zählt etwa das Stoppen von Initiativen ohne klare Erfolgskriterien, aber auch das Verschieben des Altsystemaustauschs, wenn sich daraus keine klare Verbesserung der Fähigkeiten ergibt. Für den Umsetzungserfolg ist es dann wichtig, klar zu definieren, was den Erfolg aus Sicht der Akteure ausmacht. Je nach Unternehmen kann das z.B. eine funktionsübergreifende Aufstellung sein oder auch ausgeprägte Architektur- und Technologiekompetenz.

Programmkomplexität auflösen. Damit die Transformation nicht aus dem Ruder läuft, empfiehlt es sich, umfangreiche und komplexe Technologieprogramme in kleinere Einheiten aufzuteilen und die tatsächlichen Werttreiber zu identifizieren, anstatt seine Ressourcen auf „nice to haves“ zu verschwenden.

Wertorientiert arbeiten. In allen Organisationen gibt es Bereiche, die einen größeren Mehrwert für das Unternehmen und seine Kundschaft bieten als andere. Auf ihnen sollte der Fokus liegen. Eine präzise Ausarbeitung der Use-Case-Roadmap sorgt für die nötige Konkretisierung: Der erwartete Mehrwert und die spezifischen Technologien, die dafür erforderlich sind, sind darin klar zu benennen (z.B. nicht nur „KI“, sondern der genaue Typ).

Nutzung von Daten. Faktenbasierte Datenanalysen helfen bei der Prozessvereinfachung. Die neuesten Anwendungen im Bereich Process Mining und Automatisierung bieten viel Potenzial zur Beschleunigung und Effizienzsteigerung – sowohl bei technologischen Prozessen als auch darüber hinaus.

Verbesserung der operativen Produktivität. Der Einsatz modernster Technologien, insbesondere von generativer KI (GenAI) und Agentic AI, kann zu bahnbrechenden Fortschritten in der kreativen Produktentwicklung, im Kundenservice und bei der Wissensaggregation führen.

Stärkung der Cloud-Souveränität. Autonome Cloud-Lösungen reduzieren Risiken und Abhängigkeiten. In Anbetracht der aktuellen globalen Verschiebungen ist Cloud-Souveränität für die Konsumgüter- und Handelsunternehmen der DACH-Region von besonderer Bedeutung. Jederzeit sollte sichergestellt sein, dass Daten innerhalb der nationalen Grenzen bleiben und den hiesigen Datenschutzgesetzen entsprechen. Diese Sicherheit und Unabhängigkeit zu gewährleisten, erfordert eine sorgfältige Auswahl von Cloud-Anbietern und eine klare Strategie für das Datenmanagement.

Den Wandel wirtschaftlich gestalten

So erfolgsentscheidend wie die richtige Strategie und Umsetzung einer digitalen Transformation ist nicht zuletzt auch die Frage, wie diese finanziert werden kann. Besonders in Zeiten volatiler Kundennachfrage wird es immer wichtiger, schrittweise Mehrwert zu schaffen und gleichzeitig Effizienzgewinne zu erzielen. Diese Kombination sorgt dafür, dass die Transformation nicht nur strategisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich tragfähig bleibt. Dazu gehören auch klare „Make or Buy“-Entscheidungen auf allen Ebenen der Transformation.

Ziel sollte es sein, ein starkes internes Technologieteam aufzubauen und gleichzeitig ein diszipliniertes Vendor Management für eingekaufte Leistungen zu etablieren. Dies ist insbesondere an kritischen Punkten wichtig. Laufende Cloud-Migrationen beispielsweise können rasch die Kosten treiben und erfordern daher ein strengeres und transparenteres Kostenmanagement. Auf der anderen Seite kann Automatisierung zu erheblichen Einsparungen und Produktivitätsverbesserungen führen, ebenso der Einsatz von Agentic AI oder die neueste Generation von Engineering-Praktiken wie z.B. GenAI-unterstütztes Coding. Alle Transformationsmaßnahmen sollten daher auf ihre Einspar- und Wertsteigerungspotenziale überprüft werden. Eine grenzüberschreitende Harmonisierung der Unternehmenstechnologie kann außerdem dazu beitragen, Doppelausgaben zu vermeiden.

Lediglich

25%

der erwarteten Einsparungen und 30% des erhofften Mehrumsatzes werden derzeit durch IT-Transformationen realisiert.

Bei der Wirtschaftlichkeit von digitalen Transformationen spielt nicht zuletzt der Zeitfaktor eine zentrale Rolle. Denn Zeit ist Geld – je länger das Programm dauert, desto mehr Mittel verschlingt es. Maßgeblich beschleunigen lässt sich der Prozess, indem die technischen Kompetenzen der Führungskräfte den Anforderungen entsprechend ausgebaut werden. Denn die Verantwortlichkeiten für eine Tech-Umsetzung werden allemal besser wahrgenommen und Entscheidungen schneller getroffen, wenn ausreichende interne Sachkenntnis vorhanden ist.

ERP-Transformation mit dem größten Wertpotenzial

Die wohl furchteinflößendste Herausforderung für Unternehmen dürfte derzeit die ERP-Transformation sein: die Modernisierung des „Enterprise Resource Planning“-Systems – jenes digitalen Nervenzentrums, das alle wichtigen Unternehmensbereiche miteinander verbindet und steuert. Die Aussicht auf lange Entwicklungszeiten, hohe Investitionen, unklare Einsparpotenziale, lähmende Komplexität und voll ausgelastete Ressourcen bringen selbst die entschlossensten CXOs ins Wanken. Doch der Druck auf die Unternehmen wächst, ihre IT-Kosten nachhaltig zu reduzieren, wenn sie weiter wettbewerbsfähig bleiben wollen.

Zudem sehen sich mit der Einführung von ERPSystemen der nächsten Generation jetzt viele Unternehmen veranlasst, ihre ERP-Landschaften neu aufzustellen. Doch sie sollten diese Transformation nicht nur als notwendige Pflicht, sondern auch als strategische Chance betrachten. Denn richtig angegangen, kann eine Systemtransformation die IT-Kosten um 20 bis 30 Prozent und teilweise sogar darüber hinaus senken. Dies gilt sowohl für Greenfield-Implementierungen, bei denen ein völlig neues ERP-System eingeführt wird, als auch für Brownfield-Ansätze, bei denen bestehende Systeme umgestellt werden. Der Schlüssel zu diesen Einsparungen liegt in zwei zentralen Handlungsfeldern, die aktuell im Fokus stehen sollten. Der erste Ansatzpunkt ist eine gründliche Prüfung der Ausgaben für Systemintegratoren (SI), die oft 50 bis 70 Prozent der Gesamtkosten einer ERP-Transformation ausmachen. Das Identifizieren und Reduzieren unnötiger Change Requests, das Neuverhandeln von Verträgen – selbst von solchen, die bereits weit fortgeschritten sind – sowie ein intensiveres Lieferantenmanagement anhand von KPIs und Meilensteinen können einen erheblichen Einfluss auf die Kosten haben.

Das zweite Handlungsfeld ist die Entwicklung und Überwachung geschäftsrelevanter KPIs, um den effektiven Mehrwert der ERP-Transformation messbar zu machen. Obwohl dieser Schritt auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, wird er von vielen Unternehmen vernachlässigt oder unzureichend umgesetzt. Business Cases für ERP-Transformationen basieren häufig auf vagen Schätzungen zu prozentualen Verbesserungen in einzelnen Abteilungen, die weder fundiert noch überprüfbar sind. In den vergangenen zwei Jahren haben jedoch innovative Process-Mining-Tools neue Möglichkeiten geschaffen, ein bislang unerreichtes Maß an Transparenz in Bezug auf Prozesse und KPI-Performance zu erreichen. Diese Möglichkeiten gilt es jetzt zu nutzen.

Ob Neugestaltung der ERP-Systeme oder KI-gestützte Transformation von Geschäftsbereichen und Funktionen: Es ist an der Zeit, sich dem Technologiewandel im eigenen Unternehmen zu stellen – grundlegend und ganzheitlich. Denn nach Jahren der Rezession mehren sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Konsumgüter- und Handelsunternehmen sollten die Signale wahrnehmen und jetzt in ihre IT-Zukunft investieren, um resilient und innovationsfähig aufgestellt zu sein für die Herausforderungen von morgen.

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