Modebranche: Jeder vierte Lieferant in finanziellen Nöten durch COVID-19

Modebranche: Jeder vierte Lieferant in finanziellen Nöten durch COVID-19

In sechs Monaten wird bereits jeder zweite Mode-Lieferant finanzielle Schwierigkeiten haben. Regionaler Einkauf (Near-Shoring) gewinnt an Bedeutung. 90% der Modeunternehmen planen, weniger Mode von ihren Lieferanten einzukaufen. 80% der Modeunternehmen haben Bestellungen storniert.

 

Der Modehandel ist durch die Corona-Krise massiv getroffen. Das hat auch Auswirkungen auf die Zulieferer aus Asien: Viele der Lieferanten sind bereits in finanziellen Schwierigkeiten. Jeder zweite Einkaufschef von Bekleidungsunternehmen berichtet, dass ein Viertel ihrer Lieferanten bereits Finanzprobleme hat. 45% der Befragten geben an, dass nach ihrer Erwartung in sechs Monaten bereits mehr als die Hälfte ihrer Zulieferer in finanzieller Not sein wird. "Die Lage der Modehändler in Europa und Nordamerika ist extrem schwierig. Die Stornierung von Bestellungen und die fehlenden Zahlungen führen zu dramatischen Situationen für die Arbeiter in produzierenden Ländern", sagt der Leiter der Modeindustrieberatung bei McKinsey & Company, Seniorpartner Achim Berg. "Viele Modeunternehmen ergreifen daher unterstützende Maßnahmen für ihre Lieferanten." Dies sind zentrale Ergebnisse der Studie "Time for change: How to use the crisis to make fashion sourcing more agile and sustainable" von McKinsey. Für die internationale Studie befragte die Unternehmensberatung 116 Einkaufschefs von führenden Bekleidungsunternehmen und -händlern aus Nordamerika und Europa, die zusammen für rund 120 Mrd. US-Dollar Einkaufsvolumen verantwortlich sind.

19% der Befragten erklären, dass sie Vorauszahlungen für Bestellungen leisten. Allerdings gibt fast jeder vierte Einkaufschef an, dass er keine unterstützenden Maßnahmen für Lieferanten ergreift. "Modeunternehmen sollten ihre Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette unterstützen, indem sie beispielsweise gemeinsam Kosten reduzieren und Rohmaterialien bezahlen", sagt Karl-Hendrik Magnus, Experte für Sourcing und Nachhaltigkeit bei McKinsey. "Die Krise bietet die Chance, jetzt an fundamentalen Veränderungen in der Modebeschaffung zu arbeiten und Lieferketten zu flexibilisieren." 

Near-Shoring, Digitalisierung und Nachhaltigkeit gewinnen an Bedeutung
 
Fast jeder zweite Sourcing-Verantwortliche gibt an, in den nächsten zwölf Monaten stärker auf Near-Shoring zu setzen, also auf die Produktion in nahe gelegenen Ländern wie Türkei für Europa oder Mexiko für Nordamerika. Jeder Dritte erwartet, dass der Grad der Automatisierung zunehmen wird. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird wieder stärker an Bedeutung gewinnen. "Modeunternehmen kämpften seit Beginn der Krise um ihre Existenz, haben aber auch stärker Verantwortung für ihre Mitarbeiter und Lieferanten übernommen. Partnerschaftliche Zusammenarbeit entlang der Lieferkette sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeit sind noch wichtiger geworden", erklärt Achim Berg. Auch für Kunden: Mehr als 40% der Konsumenten in Europa und Nordamerika erklären, sie stünden Unternehmen wohwollend gegenüber, die sich in der Krise um soziale und medizinische Themen gekümmert haben. Mehr als 20% geben an, dass sie aus Nachhaltigkeitsgründen weniger Kleidung kaufen wollen. 16% der europäischen Konsumenten erklären, dass sie in Zukunft mehr sozial und ökologisch hergestellte Kleidung kaufen möchten.

Zulieferer verzeichnen Stornierungen und ausbleibende Zahlungen 

Weltweit haben Einkaufschefs von Bekleidungsunternehmen auf die fehlende Nachfrage und auf Ladenschließungen reagiert und Bestellungen storniert. 90% der Einkaufschefs geben an, dass ihr Beschaffungsvolumen in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr sinken wird. Fast 80% der Unternehmen haben bereits zumindest einen Teil ihrer Bestellungen storniert. Zudem wurden die Anzahl der Stücke pro Bestellung sowie die Gesamtzahl der Bestellungen reduziert.
 
Dabei stornieren europäische Unternehmen Bestellungen seltener als Unternehmen aus Nordamerika. Nur 2% der befragten europäischen Unternehmen gaben an, mehr als die Hälfte ihrer Bestellungen gecancelt zu haben. Bei einem Drittel gab es sogar keinerlei Stornierungen. Im Gegensatz dazu gab es bei 11% der nordamerikanischen Unternehmen Stornierungen und nur 13% gaben an, dass es keinerlei Stornierungen gegeben habe. Nur wenige zahlen wie vereinbart: Weniger als ein Drittel der Unternehmen zahlt für mehr als die Hälfte der Bestellungen, 18% bezahlen gar nicht.

Zulieferer haben auch durch Lock-downs und unterbrochene Lieferketten von Rohmaterialien große Schwierigkeiten, die Bestellungen auszuführen. Jeder zweite Befragte sagt, dass seine Lieferanten nur zum Teil in der Lage sind, im 2. Quartal 2020 Bestellungen auszuliefern. 7% sagen sogar, dass ihre Zulieferer gar keine Bestellungen im 2. Quartal erfüllen. Für die zweite Jahreshälfte erwarten 38%, dass ihre Lieferanten Bestellungen nur zum Teil erfüllen können.