Europa steht vor einer historischen Chance: Deep Tech kann zum Motor von neuem Wohlstand und Souveränität werden. Die Voraussetzung: Forschung, Kapitalgeber und Industrie müssen enger zusammenarbeiten, um technologische Durchbrüche schneller in marktfähige Produkte und industrielle Anwendungen zu überführen. Eine neue McKinsey-Analyse zeigt, dass ein entschlossener Ausbau des europäischen Deep-Tech-Ökosystems bis 2030 bis zu einer Million zusätzliche Jobs und Unternehmensbewertungen von bis zu 1 Billion US-Dollar schaffen könnte.
Deep Tech steht für wissenschaftsbasierte Zukunftstechnologien: von künstlicher Intelligenz und Quantentechnologien über Energie- und Raumfahrtinnovationen bis hin zu Robotik, Biotech und Verteidigung.
„Die Forschungsleistungen in Europa sind schon immer herausragend. Jetzt ist die Zeit, diese in industrielle Anwendung zu überführen und zu skalieren. Wenn Forschung, Kapitalgeber und Industrie konsequent verbunden werden, kann Deep Tech zugleich Wohlstand, Resilienz und Souveränität in Europa stärken“, sagt Max Flötotto, Senior Partner im Münchner McKinsey-Büro und Co-Autor der Studie.
Momentum ist da, doch Europa droht den Anschluss zu verlieren
In Europa wächst der Deep-Tech-Sektor seit Jahren. So ist der Anteil Europas am globalen Deep-Tech-Funding in den vergangenen Jahren von 10 auf 16% gestiegen. Gleichzeitig zeigen sich strukturelle Schwächen: In der Skalierung liegt Europa sogar hinter klassischen Tech-Bereichen wie Software-as-a-Service zurück.
Insgesamt haben sich die Investitionen von Risikokapitalgebern (Venture Capital, VC) in Europas Deep-Tech-Unternehmen seit 2019 fast verdreifacht von rund 10 auf über 28 Milliarden Euro pro Jahr. Inzwischen fließt rund ein Fünftel aller europäischen VC-Mittel in Deep-Tech-Unternehmen. Deep-Tech-Unternehmen schaffen im Schnitt 87% mehr Arbeitsplätze pro investierter Kapitaleinheit als klassische Tech-Unternehmen. Zudem erzeugen sie zumeist einen realen wirtschaftlichen Wert, da ihr Wachstum nicht auf reinen Nutzungsmodellen sondern auf patentgeschützten Technologien, Produktionsprozessen und langfristigen Industriepartnerschaften basiert. Anders sieht es in der Regel bei vielen Software-Start-ups aus, die Wachstumsrunden ohne nachhaltige Monetarisierung erreichen.
Allerdings bleibt die Wertschöpfung häufig nicht in Europa: Bedingt durch einen besseren Zugang zu Spätphasen-Kapital, größere Absatzmärkte und günstigere regulatorische Rahmenbedingungen verlagern viele der wachstumsstarken europäischen Deep-Tech-Unternehmen zentrale Aktivitäten in der Scale-up-Phase in die USA.
Kapital und Zusammenarbeit als Schlüssel
Frankreich, Schweden und das Vereinigte Königreich zeigen, wie staatliche Förderung, institutionelles Kapital etwa von Pensionsfonds und unternehmerische Initiative ineinandergreifen können. Gelingt diese Verzahnung europaweit, kann das zusätzliche Wertschöpfungspotenzial von bis zu einer Billion US-Dollar realisiert werden.
„Deep Tech ist kapitalintensiv, birgt aber zugleich die Chance, nachhaltiges Wachstum und technologische Resilienz zu verbinden“, sagt Tobias Henz, Partner im Münchner McKinsey-Büro und Co-Autor der Studie. „Europa muss jetzt handeln: Mit einer integrierten Kapitalstrategie, innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen und einer Technologiepolitik, die Start-ups und etablierte Industrie enger zusammenbringt, um Deep Tech schneller in die industrielle Anwendung zu bringen.“
Laut Studie sind vor allem drei Faktoren entscheidend, um das Potenzial zu realisieren:
- Mehr privates und öffentliches Wachstumskapital, insbesondere aus Europa in der Spätphase
- Bessere Skalierungsbedingungen durch vereinfachte Regulierung, steuerliche Anreize und schnellere Förderprozesse
- Stärkere Forschungstransfers und europäische Innovationsnetzwerke, die Talente und Industrie verknüpfen
Die gesamte Studie „Europe’s deep-tech engine could spur $1 trillion in economic growth“ ist abrufbar unter: bit.ly/deeptech25