Das strategische Management des Kaders verhilft den erfolgreichsten Fußballclubs in Europa zu einem Vorteil von bis zu 250 Mio. € pro Saison. Dieses Kaderwertmanagement besteht aus der Weiterentwicklung aktueller Spieler im Kader, der Integration von Jugendspielern und dem geschickten Handeln auf dem Transfermarkt. Der Kaderwert ist ein verlässlicher Indikator für den sportlichen Erfolg. In den fünf europäischen Topligen – Premier League, La Liga, Bundesliga, Serie A und Ligue 1 – haben in den vergangenen Jahren in drei von vier Saisons die Mannschaften mit dem höchsten Kaderwert die Meisterschaft gewonnen.
Das strategische Kaderwertmanagement hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen, da die finanzielle Ausstattung in vielen Vereinen nach der Pandemie schlechter und die Regulierung der Budgetsteuerung deutlich strenger geworden ist. Dies sind die Ergebnisse der Studie „Geld allein schießt keine Tore - wie Fußballclubs ihre Budgets zielgerichtet einsetzen“ der Unternehmensberatung McKinsey & Company, für die über 100 Vereine im europäischen Profifußball über vier Spielzeiten analysiert wurden.
50 Managemententscheidungen pro Saison – so steuern Clubs den Erfolg
„Natürlich gibt es in Europa Vereine mit sehr unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen“, sagt Sebastian Flegr, Associate Partner im McKinsey-Büro Stuttgarter und Co-Autor der Studie. „Unsere Analyse zeigt aber, dass Kaderwertmanagement unabhängig von der Größe der Clubs sehr unterschiedlich betrieben wird“. Zwar haben große Clubs mit entsprechenden Budgets in der Regel auch eine höhere Kaderqualität. Allerdings können Vereine, die ihren Kader effizient aufstellen, mit einem effektiven Jahresbudget von 100 Mio. € – bestehend aus Gehältern, Transferinvestitionen, Beraterhonoraren und Änderungen des Marktwerts – ein Team im Wert von 650 Mio. € aufstellen (umgerechnet dem Kaderwert von Bayer Leverkusen). So gibt es unter den Top-20-Clubs, die regelmäßig in der Champions League spielen, einige erfolgreiche Vereine, die mit einem niedrigeren Budget arbeiten als die mittleren 30 Vereine, die üblicherweise in der Europa League spielen. „Diese Überflieger finden sich sowohl in den fünf Topligen als auch in kleineren europäischen Ligen“, so Flegr.
Was finanziell erfolgreiche Vereine von weniger Erfolgreichen unterscheidet, sind rund 50 zentrale Managemententscheidungen pro Saison – insbesondere bei der Identifikation, Entwicklung, Bindung und dem Verkauf von Talenten. „Vereine, die es schaffen, Top-Talente in jungen Jahren zu gewinnen und sportlich weiterzuentwickeln, sparen später bei Transfers und Spielergehältern“, so Flegr. Denn 80% des Unterschieds im benötigten Budget zwischen den effizienteren und den weniger effizienten Vereinen lassen sich dadurch erklären, wie die Vereine ihre Mannschaft zusammenstellen.
Drei Strategien haben sich als besonders erfolgreich herausgestellt:
- Weiterentwicklung aktueller Spieler: Die Transformation des FC Brentford von einem Drittligaverein zu einem etablierten Premier League-Verein innerhalb eines Jahrzehnts ist weniger eine Frage der Investitionshöhe als der Investitionsstrategie. Ein Großteil der Wertsteigerungen des Profi-Teams resultiert aus der gezielten Entwicklung von Talenten.
- Integration aus dem eigenen Nachwuchs: Real Sociedad San Sebastian hat es in den vergangenen fünf Jahren geschafft, sich als vierte Kraft in Spanien zu etablieren. Das Rezept: Eine klare Nachwuchsstrategie mit dem Ziel, 60% Eigengewächse im Kader zu haben.
- Geschickte Transfers: Eintracht Frankfurt gehört in Europa zu den führenden Vereinen, die Spielerwerte entwickeln. Diese Entwicklung wird durch maßgeblich durch ein umfassendes, datengetriebenes globales Scouting ermöglicht, wobei die Spielerentwicklung im Kern der Vereinsidentität steht. Durch eine kontinuierliche Backup-Planung für alle Positionen des Kaders ist der Verein für kurzfristige Abgänge durch Transfers gerüstet. Damit ist Eintracht Frankfurt vorbereitet – wenn attraktive Bedingungen geboten werden – und stärkt seine Verhandlungsposition auf dem Transfermarkt.
Bundesligaclubs mit der größten Wertgenerierung aus dem strategischem Kaderwertmanagement
„Während die Premier League-Vereine durch hohe Transferinvestitionen und Investorengelder den größten Kaderwertzuwachs aufweisen, heben sich die Bundesliga- und Ligue 1-Vereine erfolgreich im strategischen Kaderwertmanagement ab“, sagt McKinsey-Experte Flegr.
Die Bundesliga-Vereine erzielten zwischen 2020/21 und 2023/24 einen durchschnittlichen Kaderwertanstieg von 15 Mio. € pro Saison durch strategisches Kaderwertmanagement. Ein Drittel stammt dabei aus exzellenten Spielertransfers und zwei Drittel aus der Integration von Jugendspielern in das Profi-Team. Die meisten Bundesligavereine monetarisieren allerdings jede Saison wieder rund 5 Mio. € des Wertzuwachses durch Transferüberschüsse.
In den Top-5-Ligen zeichnen sich Bundesligavereine bei Spielertransfers durch effektives Scouting, der Förderung junger Talente und der konstanten Wertentwicklung des Kaders aus. Nachholbedarf besteht jedoch bei der Integration von Jugendspielern, denn der Wertbeitrag eigener Jugendspieler ist in anderen Top-5-Ligen deutlich höher. Positive Trends wie etwa die erhöhte Spielzeit für lokale Talente in der vergangenen Saison, die Wiedereinführung von U23-Teams und Reformen der Nachwuchsleistungsligen zeichnen sich jedoch ab.