Cloud-Computing für ein zukunftsfähiges Deutschland: Fünf Hebel für mehr Tempo

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Was im ersten Moment wie Zukunftsmusik klingt, ist auf den zweiten Blick durchaus möglich – wenn in dieser Legislaturperiode entscheidende Schritte zur Nutzung von Cloud-Lösungen gemacht werden. Dazu braucht es vor allem mehr behördenübergreifenden Austausch und ein gemeinsames Verständnis in den Leitungsebenen, dass eine Cloud-Transformation eine Teamleistung ist und keine Einzelleistung der IT. Das Thema betrifft damit nicht nur IT-Entscheider:innen in Behörden, sondern alle Führungskräfte in der Verwaltung.

Cloud als Motor für Innovation und als Wertschöpfungsfaktor

Moderne IT-Anwendungen sind immer häufiger rein cloudbasiert. Dabei werden Daten nicht mehr lokal gespeichert, sondern über das Internet an ein zentrales Cloud-Rechenzentrum übertragen. Cloud-Dienste werden über eine standardisierte Schnittstelle angeboten und sind dadurch auf verschiedenen Endgeräten nutzbar. Auch Datenaustausch, -auswertung und -speicherung sind häufig nur noch mit solchen skalierbaren Cloud-Infrastrukturen zu bewältigen. Cloudbasierte Angebote bieten den Vorteil, benötigte Ressourcen wie Speicherplatz oder Rechenkapazität flexibel und schnell zur Verfügung zu stellen. Auch für viele KI-Anwendungen ist dies ein großer Vorteil.

Viele Unternehmen in Deutschland sind mit ihrer Cloud-Transformation schon weit vorangeschritten: So geben 98% der Unternehmen an, cloudbasierte Dienste einzusetzen.1 Das Potenzial von Cloud-Transformationen als Wertschöpfungsfaktor wird – über die verschiedenen Branchen hinweg – für den Zeitraum bis 2030 auf 1 bis 3 Billionen USD geschätzt. Dazu trägt vor allem das hohe Innovationspotenzial bei, das sich beispielsweise aus einer beschleunigten Produktentwicklung und der Skalierungsfähigkeit ergibt.

Dass die Cloud-Transformation noch weiter vorangetrieben werden muss, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Altersstruktur der Bundesverwaltung: Bis 2030 scheiden mehr als 1,5 Millionen Beschäftigte altersbedingt aus dem öffentlichen Dienst aus – eine Lücke, die sich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nicht allein durch eine Einstellungsoffensive schließen lassen wird. Cloudbasierte, innovative Anwendungen können die Verwaltung dabei unterstützen, den demografischen Wandel abzufedern. Durch den Einsatz von Cloud-Infrastrukturen wird der IT-Aufwand im Vergleich zum klassischen Management von On-Premise-Lösungen deutlich reduziert. Gleichzeitig ermöglichen Cloud-Anwendungen effizientere Arbeitsprozesse, wodurch Verwaltungsmitarbeitende entlastet werden. Dies setzt jedoch voraus, dass Bund und Länder mit der technischen Entwicklung, insbesondere auch im Bereich KI, Schritt halten.

Dabei besteht bereits großes Interesse daran, Cloud-Lösungen zu nutzen. Seit einigen Jahren wird die Cloud-Transformation schon vorangetrieben: Der Bund hat im Januar 2021 seine “Strategie für die Stärkung der Digitalen Souveränität für die IT der Öffentlichen Verwaltung” veröffentlicht. Im April 2025 startete der digitale Marktplatz der Deutschen Verwaltungscloud, über den Cloud-Lösungen bestellt werden können. Das aktuell laufende Projekt “MSSC” prüft, ob eine externe Cloud-Plattform die Anforderungen des Bundes an Informationssicherheit, Datenschutz und Geheimschutz erfüllt und die Voraussetzungen für eine spätere Nutzung gegeben sind.

Auch die Länder haben sich auf den Weg in die Cloud gemacht: Bayern engagiert sich seit 2021 für eine souveräne deutsche Verwaltungscloud, während Hessen im Jahr 2022 mit seiner Cloud-Transformation begann. Nordrhein-Westfalen folgte im März 2024 mit der Vergabe eines Auftrags zum Aufbau und Betrieb einer Cloud-Infrastruktur, die in einer ersten Phase Fachverfahren eine Plattform bereitstellt.

Handlungsnotwendigkeit für die Verwaltung besteht nicht zuletzt durch die Ankündigung von Microsoft, das Office-Paket ab 2029 nicht mehr „on premises“, sondern ausschließlich cloudbasiert weiterzuentwickeln. Wenn einige Lösungen jedoch nicht mehr oder nur noch cloudbasiert zur Verfügung stehen, ist die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung gefährdet. Dabei geht es nicht nur um MS Office, sondern um eine Vielzahl von Anwendungen, die ausschließlich über Cloud-Dienste zur Verfügung stehen. Cloud-Computing bildet darüber hinaus die Grundlage für KI-Anwendungen wie GenAI und für die Auswertung großer Datenmengen, die für datenbasiertes Regierungshandeln unabdingbar sind. Gleichzeitig gewinnt die Verwaltung durch Cloud-Anwendungen an Flexibilität bei der Speicherung großer Datenmengen. Auch der Austausch großer Datenmengen zwischen verschiedenen Teilen der Organisation wird leichter.

Die Cloud-Transformation braucht eine engere Zusammenarbeit, mehr Austausch und ein höheres Umsetzungstempo

Die Fortschritte der vergangenen Jahre zeigen, dass eine Cloud-Transformation zentrale Erfolgsfaktoren kennzeichnen. Beispiele für Projekte im öffentlichen Sektor, die als Vorbild dienen können, sind die große Cloud-Broker-Ausschreibung der Sozialversicherungsträger, das oben erwähnte Projekt „MSSC“ zur Einführung einer Microsoft-Cloud, die Cloud-Angebote des ITZBund sowie der Cloud-Marktplatz von govdigital.

Gleichzeitig steht die öffentliche Verwaltung bei der Nutzung von Angeboten US-amerikanischer Hyperscaler wie Microsoft oder AWS vor der Herausforderung, dass US-amerikanische Sicherheitsbehörden US-Unternehmen dazu verpflichten können, Daten und Informationen herauszugeben, die auf ihren Servern gespeichert sind. Vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen sowie unter Aspekten der Datenhoheit und Sicherheit ist eine Nutzung für die deutsche Verwaltung nur unter Berücksichtigung besonderer Maßnahmen möglich. Die Hyperscaler suchen aktiv nach Lösungen, die langfristige Tragfähigkeit ist noch abzuwarten.

Viele Ministerien und Bundesbehörden haben bereits eigene Cloud-Strategien erarbeitet und treiben ihre Cloud-Transformation voran. Eine engere Zusammenarbeit sowie ein intensiverer Austausch zwischen den Akteuren könnten jedoch zusätzliche Potenziale erschließen. Ein direkter Erfahrungsaustausch auf Leitungsebene kann Best Practices bekannter machen und Prozesse beschleunigen.

Fünf Hebel für mehr Tempo bei der Cloud-Transformation

Um die Cloud-Transformation des Bundes in der aktuellen Legislaturperiode erfolgreich voranzutreiben und den Anschluss an innovative Anwendungen sicherzustellen, gilt es, fünf zentrale Hebel in den Fokus zu nehmen. Diese werden im Folgenden detailliert erläutert – inklusive der damit verbundenen Herausforderungen und praxisnaher Lösungsansätze für eine erfolgreiche Umsetzung.

1. Eine klare Handreichung für den Weg in die Cloud erarbeiten

Eine erfolgreiche Cloud-Transformation erfordert eine klare Handreichung, die Wege aufzeigt und Best Practices mitgibt. Dabei ist es nicht nötig, dass jedes Ministerium oder jede der über 900 Bundesbehörden15 eine eigene Cloud-Handreichung entwickelt, die IT-Sicherheit bewertet oder die Einhaltung der Datenschutzvorschriften prüft. Es braucht nur Mut, konsequent auf die Vorarbeit anderer aufzusetzen sowie Konzepte und Lösungswege zu übernehmen.

Warum ist das für die Verwaltung eine Herausforderung? Zu selten werden Best Practices von anderen Ministerien oder Behörden übernommen oder nachgenutzt. Zudem bindet die Entwicklung und Umsetzung von Cloud-Strategien bzw. Handreichungen nicht nur Ressourcen, sondern erfordert auch spezielles Wissen, das nicht in jeder Einrichtung im gleichen Ausmaß vorhanden sein kann oder muss.

Was kann eine Lösung sein? Eine zentrale Stelle stimmt die verschiedenen Cloud-Strategien aufeinander ab und entwickelt sie zu einer Gesamtstrategie weiter. Dafür können spezialisierte Mitarbeitende an einer zentralen Stelle eingesetzt werden – das fördert wertvolle Synergien. Die Strategie muss klare Ziele und einen Zeitplan enthalten. Außerdem sollte sie herausstellen, dass sich die Führungsebene als Steuermannschaft der Transformation versteht. Darüber hinaus können verbindliche Rahmenbedingungen für die Cloud-Nutzung definiert werden, um Aufwände und Zeit zu reduzieren. Insgesamt sollte die Steuerungsebene ein Umdenken einleiten, sodass nicht mehr die Angemessenheit und Eignung einer Cloud-Lösung begründet werden muss, sondern vielmehr eine Nichtnutzung.

2. Cloud-Transformation als Aufgabe für die gesamte Leitungsebene verstehen

Für eine effektive Cloud-Transformation kommt es nicht nur auf die zentrale Steuerung und die Bündelung von Kompetenzen an einer zentralen Stelle an, sondern auch auf die Führungskräfte, die den Prozess in den Ministerien und Behörden steuern. Dabei ist das gemeinsame Engagement der Leitungsebene gefragt. Alle Beteiligten sollten wissen und verstehen, welchen Nutzen und welche Einsatzgebiete Cloud-Lösungen haben können und wo sie den Einsatz von KI ermöglichen. Bei der Umsetzung sollten alle an einem Strang ziehen und die Aufgabe nicht einfach der IT überlassen.

Warum ist das für die Verwaltung eine Herausforderung? Die IT-Steuerung eines Ministeriums oder einer Behörde war lange Zeit eine von zahlreichen Aufgaben im Verwaltungsalltag. Die Cloud-Transformation darf aber nicht zu einem unter vielen Projekten der IT-Abteilung werden. Stattdessen ist sie als grundlegende Technologieinnovation zu verstehen, die Auswirkungen auf fast alle Arbeitsprozesse im Verwaltungsalltag hat.

Was kann eine Lösung sein? Jede Führungskraft muss zu einer Tech-Führungskraft werden, die sich des Transformationsprozesses annimmt – auch wenn sie nicht direkt für die IT-Steuerung zuständig ist. Die Leitungsebene ist führend in den Prozess einzubinden und muss den (operativ) Verantwortlichen für das Transformationsprojekt ihre volle Unterstützung signalisieren.

3. Bedarfe für Cloud-Dienste bündeln

Beschaffungsprozesse sind oft aufwendig und erfordern viel inhaltliche Detailarbeit. Um diesen Aufwand zu reduzieren, sollten Bedarfe für Cloud-Dienste gebündelt werden. Eine Kooperation bei der Beschaffung führt zu effizienteren Prozessen, reduziert Redundanzen und senkt den Gesamtaufwand.

Warum ist das für die Verwaltung eine Herausforderung? Die Bedarfe für Cloud-Services werden meist rein hausintern erarbeitet; personelle und finanzielle Ressourcen dafür sind begrenzt und zu selten wird die Gelegenheit genutzt, voneinander zu lernen. Für eine klare Definition der Anforderungen braucht es zudem fundiertes technisches Wissen. Auch die verbesserte Verhandlungsposition gegenüber großen Cloud-Firmen, die eine übergreifende Kooperation ermöglicht, wird bisher noch zu wenig genutzt.

Was kann eine Lösung sein? Um Aufwände zu reduzieren und die eigene Verhandlungsposition zu stärken, sollten Verwaltungen die Beschaffung von Cloud-Services bündeln oder sich an bestehende Initiativen anschließen. Dadurch können sie auch besser voneinander lernen und Erfahrungen austauschen. Als Blaupause dient hier z.B. die gemeinsame Cloud-Broker-Ausschreibung der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. 

4. Beim Bezug von Cloud-Diensten auf mehrere Provider setzen

Um die Abhängigkeit von einem Anbieter oder Dienst möglichst gering zu halten, sollten Verwaltungen immer auf mehrere Cloud-Dienstleister setzen. In der Wirtschaft ist so ein Vorgehen bereits gängige Praxis – und sollte auch vom öffentlichen Sektor übernommen werden.

Warum ist das für die Verwaltung eine Herausforderung? Ausschreibungen und Aufträge sind oft darauf ausgerichtet, einen einzelnen Anbieter hervorzubringen. Die Lösung, auf Broker oder mehrere Anbieter zu setzen, muss sich erst noch etablieren. Zusätzlich sind Anwendungen zu berücksichtigen, die nicht für die Cloud vorgesehen sind, aber eventuell in eine neue Infrastruktur eingebunden werden müssen.

Was kann eine Lösung sein? Eine Cloud-Strategie sollte immer mehrere Anbieter umfassen. Ein guter Mix aus internationalen Hyperscalern und deutschen bzw. europäischen Anbietern kann dabei helfen, je nach funktionalen und datenschutzrechtlichen Anforderungen die optimale Lösung zu wählen. Dies kann sich auch positiv auf den Kostenmix auswirken. Außerdem stärkt so eine Lösung die Souveränität.

5. Cloud-Migration mit Proofs of Concept starten und Roadmaps erstellen

Erkenntnisse aus schnellen und nicht zu groß dimensionierten Proofs of Concept sollten als Grundlage für weitere Minimum Viable Products sowie den Rollout- und Migrationsprozess dienen. Ergänzend braucht es eine klare Migrationsroadmap, die sich an der übergeordneten IT- oder Cloud-Strategie orientiert und kontinuierlich fortgeschrieben wird.

Warum ist das für die Verwaltung eine Herausforderung? Die Planung einer Cloud-Transformation erfordert oft viel Zeit und Aufwand, sodass grundlegende Erfahrungen erst spät gemacht werden und nicht rechtzeitig in die weitere Transformationsplanung einfließen. Zudem ist die Planung häufig darauf ausgerichtet, das gesamte System auf einmal zu migrieren. Stattdessen sollten konkrete Entscheidungshilfen für einzelne Applikationen bereitgestellt werden.

Was kann eine Lösung sein? Eine Cloud-Transformation sollte mit klaren Use Cases starten, die sich in schnellen Proof-of-Concept-Projekten umsetzen lassen. Ein Beispiel ist die Einführung von „ServiceNow“ in der Bundesagentur für Arbeit: Die Plattform ermöglicht die Automatisierung interner Prozesse im IT-Servicemanagement, wodurch Services schneller und effizienter erbracht werden. Ein Datacenter eines Dienstleisters in Deutschland gewährleistet die Sicherheit der Plattform. Mit Proofs of Concept anhand von Use Cases können Verwaltungen schnell grundlegende Erfahrungen im Kontext von Cloud-Transformationen sammeln. Diese Erfahrungen lassen sich dann umgehend in die weitere Planung einbinden. Ein solcher Ansatz erlaubt es auch, früh und anhand erster Anhaltspunkte eine Kosten-Nutzen-Abschätzung für die Migration zu erstellen. Daraus resultieren klare Kritieren, die aufzeigen, bei welchen Diensten eine Migration sinnvoll erscheint und Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

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Die zu erwartenden Chancen und Nutzeneffekte der Cloud-Transformation verdeutlichen: Es ist sinnvoll und innovationsfördernd, den begonnenen Weg weiter voranzutreiben. Die fünf beschriebenen Hebel zeigen, wie der Weg in die Cloud schneller gegangen werden kann. Denn je eher Cloud-Lösungen zur Verfügung stehen, desto eher können die Mitarbeitenden im Verwaltungsalltag davon profitieren.

 

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Autor:innen: Julia Klier, Björn Münstermann, Thomas Elsner und Tom Kallenbach