Eine klimaneutrale Wärmeversorgung ist für das Gelingen der Energiewende unerlässlich: Mehr als die Hälfte (55%) des Endenergieverbrauchs entfiel 2023 auf die Bereitstellung von Wärme. Die kommunale Wärmeplanung spielt eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors, indem sie Kommunen und Energieversorgern Planungssicherheit und geeignete Rahmenbedingungen für Investitionen schaffen soll. Trotz regionaler Unterschiede zeigen die Pläne für die Wärmewende flächendeckend ambitionierte Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs durch Gebäudesanierungen sowie für den Ausbau grüner Wärmenetze und Wärmepumpen. Der Investitionsbedarf für diese Maßnahmen liegt bundesweit bis 2030 zwischen 245 und 430 Milliarden Euro. Dies geht aus dem neuen Energiewendeindex der Unternehmensberatung McKinsey & Company hervor.
Kommunale Wärmepläne als zentrales Instrument des Umbaus
„Angesichts finanzieller Anforderungen und operativer Hürden ist eine erhebliche Beschleunigung der Anstrengungen notwendig, um die Wärmewende wie geplant umzusetzen“, sagt Sebastian Overlack, Co-Autor der Studie und Partner im Frankfurter Büro von McKinsey.
Die Studie hat die bereits vorliegenden kommunalen Wärmepläne näher analysiert – als Datengrundlage dienen die zehn größten Kommunen in Baden-Württemberg, die ihre Wärmeplanung auf Grund frühzeitiger gesetzlicher Regelung bereits bis Ende 2023 abgeschlossen hatten.
Um das im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, soll der Energieverbrauch für Wärme, insbesondere im Gebäudesektor, in den kommenden Jahren deutlich gesenkt werden. Allerdings lag die Sanierungsrate im langjährigen Schnitt zwischen 2000 und 2020 bei nur 0,8%; im vierten Quartal 2024 sogar nur 0,6%. Neben mangelnder Wirtschaftlichkeit – insbesondere für Vermieter – und fehlenden Fachkräften – 12.000 Stellen im Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbereich sind unbesetzt – ist die Wärmewende auch ein finanzieller Kraftakt. Bundesweit würde der Investitionsbedarf bei einer Sanierungsquote von 2% der Wohngebäude, wie sie von zahlreichen Kommunen geplant wird, bis 2030 zwischen 170 und 270 Mrd. Euro liegen.
Deutschlands Wärmebedarf wurde zuletzt (Stand 2023) überwiegend durch Erdgas (43 %) sowie Öl und Kohle (21 %) gedeckt. Für den künftigen, emissionsreduzierten Energieträgermix zeichnet sich über alle Kommunen hinweg der gleiche Ansatz ab: Während Regionen mit hoher Wärmebedarfsdichte auf Wärmenetze setzen, sollen in dünner besiedelten Gebieten vor allem Wärmepumpen zum Einsatz kommen.
2024 waren bundesweitrund 1,3 Mio. Gebäude an Wärmenetze angeschlossen, deren Wärmeerzeugung zum Großteil auf fossilen Energieträgern basiert (48% Erdgas, 13% Kohle, 2% Öl). Die Ziele für die Zukunft sind jedoch ambitioniert: Zum einen sollen jährlich mindestens 100.000 weitere Gebäude an Wärmenetze angeschlossen werden. Zum anderen sieht das Wärmeplanungsgesetz vor, dass bis dahin im bundesweiten Mittel mindestens 50% der Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme stammt. Aus den Ausbau- und Dekarbonisierungszielen für Wärmenetze ergeben sich drei Handlungsoptionen:
- Nachverdichtung und Erweiterung bestehender Wärmenetze: Der Ausbau bis 2030 könnte zu 5 bis 10% durch Nachverdichtung und zu 65 bis 70% durch Erweiterung realisiert werden. Würden dadurch insgesamt 70 bis 80% des prognostizierten Wärmenetzausbaus gedeckt, beliefe sich der Investitionsbedarf kumuliert auf 7,5 bis 15 Mrd. €.
- Neubau von Netzen: Der Bau neuer Netze ist deutlich teurer als die Verdichtung oder Erweiterung bestehender Strukturen. Sollten 20 bis 30% des Netzausbaus durch Neubau erfolgen, wären hierfür Investitionen in Höhe von 2,5 bis 5 Mrd. € erforderlich.
- (Teil-)Umstellung auf grüne Energieträger: Um die vorgeschriebenen EE-Anteile in Wärmenetzen zu erfüllen, ist vielerorts zumindest eine teilweise Umstellung der eingesetzten Energieträger notwendig. 2024 betrug der Anteil erneuerbarer Energien und unvermeidbarer Abwärme deutschlandweit rund ein Drittel. Um den vorgeschriebenen Anteil von 50% im Bundesdurchschnitt zu erreichen, müssten bei der prognostizierten Bedarfsentwicklung bis 2030 etwa 75 bis 80 TWh der Wärmeerzeugung für Wärmenetze aus grünen Energieträgern stammen.
Derzeit sind in Deutschland etwa 1,7 Mio. Wärmepumpen in Betrieb. Die Ampelregierung plante ab 2024 mit 500.000 Neuinstallationen pro Jahr. 2025 rechnet der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) mit lediglich 260.000 neu installierten Geräten. Zwei zentrale Umsetzungshürden erschweren die weitere Entwicklung: Zum einen bringen unklare Rahmenbedingungen im Hinblick auf das Förderregime sowie die Behandlung der Netzentgelte für eigenstrombetriebene Wärmepumpen erhebliche Unsicherheit in den Markt. Zum anderen könnte die bestehende Stromnetzinfrastruktur bei dem anvisierten Anstieg der Wärmepumpennachfrage an Grenzen stoßen.
„Um die Dekarbonisierung der Wärme voranzutreiben, sollten auch pragmatische Ansätze erwogen werden“, sagt Fridolin Pflugmann, Co-Autor und ebenfalls Partner in Frankfurt.
Energiebedarf technologisch reduzieren: Maßnahmen wie die Optimierung von Heizungseinstellungen und der Einsatz smarter Steuerungssysteme blieben in den von uns untersuchten kommunalen Wärmeplanungen bislang zu wenig berücksichtigt. Dabei sind rund 80% der Heizungsanlagen falsch eingestellt. Eine korrekte Einstellung könnte den Energieverbrauch um bis zu 5% senken. Zusätzlich könnten smarte Thermostate durchschnittlich 5 bis 10% Heizenergie sparen. Zusammengenommen entspräche ein deutschlandweiter Einsatz in etwa der Energieeinsparung durch die Erhöhung der derzeitigen Sanierungsrate auf 1,5 bis 2% bis 2035.
Ausbau der Geothermie beschleunigen: Für die künftige Versorgung von Wärmenetzen mit grünen Energieträgern bietet Geothermie in Deutschland ein enormes Potenzial – laut Fraunhofer-Studien etwa 600 TWh aus der oberflächennahen und 300 TWh aus der Tiefengeothermie. Die vorherige Bundesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 10 TWh zu erschließen. Dieses Ziel scheint realistisch: Aktuell sind über 150 Geothermieprojekte mit einer Gesamtleistung von 1 bis 2 GW in Planung, die je nach Auslastung bis zu 10 TWh Wärme erzeugen könnten. Auch ein Ausbau über 10 TWh hinaus erscheint als vielversprechende Möglichkeit, um die Wärmenetze klimaneutral zu gestalten.
Ölheizungen dekarbonisieren: Ein ölbeheizter Haushalt mit einem Wärmebedarf von rd. 12.000 kWh verursacht etwa 3,5 t CO2e jährlich. Der Wechsel von einer Ölheizung zur Erdgasheizung, die die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllt (65 % Biomethan), erfordert marginale Umbauten in den Wohnungen und könnte die Emissionen um etwa 2 bis 2,5 t CO2e/a verringern. In etwa gleicher Höhe könnte der Wechsel zur Wärmepumpe (bei aktuellem Strommix und einer Jahresarbeitszahl von 3,5 bis 4) die Emissionen senken, wobei die weitere Dekarbonisierung der Stromerzeugung noch zusätzliche Reduktionen ermöglicht.
Hintergrund und Methodik
Der Energiewende-Index von McKinsey bietet alle sechs Monate einen Überblick über den Status der Energiewende in Deutschland. Feedback und Rückmeldung dazu sind ausdrücklich erwünscht. Einen detaillierten Überblick über den Index und die 15 untersuchten Indikatoren finden Sie unter https://www.mckinsey.de/energiewendeindex